Neuromarketing wird häufig als heiliger Gral in der Werbung betrachtet. Eine Abkürzung, die auf direktem Weg in das Gehirn der Kunden führt und ihn zum Kauf überzeugt, klingt zu schön, um wahr zu sein.
Ganz so einfach ist es nicht, aber mit gezieltem Neuromarketing kannst du sehr wohl (positive) Emotionen im Gehirn deiner Kunden triggern und damit letztlich deine Umsätze steigern.
Was die Definition von Neuromarketing ist, welche Erkenntnisse du aus verschiedenen Studien aus der Hirnforschung ziehen kannst und wie du mit den Zusammenhängen aus den Neurowissenschaften deine Werbung und deinen Website-Aufbau optimieren kannst, lernst du in diesem Beitrag.
Definition: Was ist Neuromarketing?
Neuromarketing ist ein relativ neues, interdisziplinäres Forschungsgebiet, das Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft mit Marketing verknüpft und sich so an der Schnittstelle zwischen Neuroökonomie und Marketing befindet. Beim Neuromarketing werden die Reaktionen des Gehirns auf bestimmte Aktivitäten und Botschaften aus dem Marketing untersucht. Ziel ist es, die Emotionen und das Verhalten von Kunden besser zu verstehen und so effektivere Marketingstrategien entwickeln zu können.
Dem Neuromarketing liegt die Annahme zugrunde, dass menschliche Entscheidungen zu einem Großteil auf unbewussten Prozessen im Gehirn beruhen.
Neuromarketing ist eines der Trendthemen im Marketing und viele Unternehmen nutzen Methoden aus diesem Gebiet, um bessere Werbung zu machen, die eigenen Marken zu stärken und mehr Umsätze zu generieren.
Ein Teilgebiet im Neuromarketing ist Consumer Neuroscience (kurz CNS), das sich mit den neuronalen Prozessen von Konsumenten während des Kaufprozesses beschäftigt.
Schnelles Denken, langsames Denken
Einer der Wegbereiter des Neuromarketings ist der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann. Im Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ spricht er von zwei Systemen im menschlichen Gehirn.
Das System 1, das schnelle Denken, arbeitet intuitiv und unterbewusst. Entscheidungen werden ohne großen Aufwand getroffen und basieren unter anderem auf Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben.
Das System 2, das langsame Denken, arbeitet bewusst, systematisch und analytisch. Diese Art zu denken kostet viel mehr Zeit, Energie und Anstrengung, aber ermöglicht fundierte und durchdachte Entscheidungsprozesse.
Ziel im Neuromarketing ist, das schnelle Denken (System 1) von Konsumenten anzusprechen und Kaufentscheidungen und -prozesse (unterbewusst) zu beeinflussen.
Mit welchen Methoden Neuromarketing erforscht wird
Vor ein paar Jahrzehnten konnten nur die direkten und sichtbaren Effekte auf verschiedene Reize analysiert werden, woraus Empfehlungen abgeleitet wurden.
Moderne Methoden ermöglichen es, dass Marketing-Fachleute mittlerweile direkt ins Gehirn der Konsumenten blicken können.
Üblich sind nicht-invasive neurophysiologische Untersuchungsmethode wie die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI) und die Elektroenzephalografie (EEG). Diese beide Methoden sind allerdings sehr kostenintensiv und stehen nur finanzstarken Unternehmen und gut ausgestatteten Forschungseinrichtungen zur Verfügung.
Deutlich häufiger kommen in der Praxis Methoden wie Eye-Tracking oder Herzfrequenzmessungen zum Einsatz, um die Reaktion auf bestimmte Reize zu analysieren.
Obwohl sehr viel Aufwand in die Erforschung des Neuromarketing gesteckt wird, ist der Kenntnisstand noch nicht über die Grundlagenforschung hinaus gekommen.
Der Nutzen und die Aussagekraft von neurowissenschaftlichen Methoden wird kontrovers diskutiert und nicht alle Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Methoden ausgereift genug sind, um zuverlässig eingesetzt zu werden. Dass Emotionen Verbraucher in hohem Maße beeinflussen, wird jedoch mit jeder neuen Studie deutlicher.
Der Weg ins Kundenhirn
So neu die Forschung im Neuromarketing auch ist, über ein paar Dinge herrscht Einigkeit.
Der bewusste Konsument, bei dem alle Entscheidungsprozesse rational und überlegt ablaufen, ist demnach eine Illusion. Viele Kaufentscheidungen laufen unterbewusst und in Sekundenbruchteilen ab. Außerdem spielen Emotionen bei der Kaufentscheidung eine größere Rolle, als es sich Psychologie und Neurologie lange eingestanden haben.
Das Neuromarketing konzentriert sich also auf Prozesse, die im menschlichen Gehirn Kaufentscheidungen beeinflussen.
Das große Ziel von Unternehmen und Marken, die mit Neuromarketing arbeiten, ist, Kunden durch bestimmte Mechanismen zu mehr Käufen zu bewegen. Durch den Blick ins Gehirn des Kunden soll das Verständnis für die Kaufentscheidungen steigen und dadurch effiziente Werbung kreiert werden.
Mithilfe von Bildern, Symbolen und Worten sollen also im Neuromarketing emotionale Reaktionen beim Konsumenten geweckt werden, um Kaufentscheidungen zu beschleunigen.
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Zwei Beispiele für Neuromarketing
Neuromarketing beantwortet eine der zentralen Fragen von Marketingfachleuten: „Wie kann ich die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf mein Produkt oder meine Dienstleistung lenken und in Erinnerung bleiben?“
Die Erkenntnisse aus dieser sehr theoretischen klingenden Forschung sind längst Bestandteil von vielen Marketing-Aktivitäten.
An den folgenden zwei Beispielen siehst du ganz konkret, wie Neuromarketing unser Gehirn beeinflussen kann.
Coca-Cola vs. Pepsi: Die Houston-Studie
Im Jahr 2003 schlug eine Studie von zwei Hirnforschern in Houston hohe Wellen. Die Forscher wollten herausfinden, warum Pepsi gegenüber dem großen Konkurrenten Coca-Cola stets das Nachsehen hat.
Im ersten Schritt der Studie bekamen Probanden beide Cola-Sorten zur Blindverkostung. Überraschenderweise fanden 51 % Pepsi besser, 44 % entschieden sich für Coca-Cola und 5 % waren indifferent. Wussten die Testpersonen allerdings die Marken, schmeckte plötzlich Coca-Cola 61 % der Probanden besser.
Parallel dazu wurden Bilder mit einem Kernspintomografen (MRT) aufgenommen. Die Forscher stellten fest, dass die Marke Coca-Cola im Gegensatz zu Pepsi sowohl den für Erinnerungen erforderlichen Hippocampus als auch den dorsolateralen präfrontalen Kortex (für Emotionen verantwortlich) aktivierte. Diese Studie aus der Hirnforschung, welche die Emotionalität von Marken erstmals messbar machte, sorgte für ein deutlich gesteigertes Interesse der Unternehmen am Neuromarketing.
Red Bull und die Macht des Sponsorings
Red Bull hat es durch eine Vielzahl von cleveren Marketing- und Sponsoringaktivitäten geschafft, die eigene Marke emotional aufzuladen.
Red Bull steht für Sport, Abenteuer, Aufregung und Adrenalin. Mit der Mischung aus Sport, Abenteuer, Gaming und Musik triggert Red Bull genau die Kaufmotive ihrer Zielgruppe.
Hintergrundmusik beim Einkaufen
In vielen Kaufhäuser und Supermärkte kommt im Einkaufsbereich Musik zum Einsatz. Diese ist nicht nur da, um die Kunden zu berieseln, sondern hat auch eine verkaufsfördernde Wirkung.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Wahl der Hintergrundmusik eine wichtige Rolle bei den Kaufentscheidungen spielen kann. Je nach Art der Musik können die Kunden in eine bestimmte Stimmungslage versetzt werden und die Kauflaune erhöht sich.
So nutzt du Erkenntnisse aus dem Neuromarketing für dein Marketing und deine Produkte
Limbic Map und Limbic Types
Dr. Hans-Georg Häusel ist einer der Pioniere im Neurmarketing. Er setzte sich mit aktuellen Forschungsergebnissen aus der Psychologie, der Hirnforschung, der Biologie und Soziologie auseinander und entwickelte das sogenannte Limbic® Modell.
Die Limbic Map als Bestandteil des Modells stellt ein „emotionales Betriebssystem“ für das menschliche Gehirn dar. Die Definition umfasst drei große Emotionssysteme des Menschen:
- Das Balance-System mit den Zielen Sicherheit, Risikovermeidung und Stabilität.
- Das Dominanz-System mit den Zielen Selbstdurchsetzung, Konkurrenzverdrängung, Status, Macht und Autonomie.
- Das Stimulanz-System mit den Zielen Entdeckung von Neuem und Erlernen neuer Fähigkeiten.
Weitere Emotionssysteme sind nach Häusel Bindung, Fürsorgen, Sexualität und Appetit sowie Ekel.
Alle in der Limbic Map beschriebenen Emotionssystemen sind beim Menschen in unterschiedlichen Ausprägungen vorhanden. Zur praxisnahen Anwendung typisiert Häusel Menschen in 7 Kategorien:
- Harmoniser (Balance)
- Offene (Stimulanz und Balance)
- Hedonisten (Stimulanz)
- Abenteurer (Dominanz und Stimulanz)
- Performer (Dominanz)
- Disziplinierte (Dominanz und Balance)
- Traditionalisten (Balance)
Mehr zur Limbic Maps und zu Limbic Types findest du in diesem Artikel.
Durch Untersuchungen (z. B. in Umfragen) kann herausgefunden werden, wo die Zielgruppe in der Limbic Map steht und welche Motive und Bedürfnisse deine Kunden dazu bewegen, zu kaufen.
Anschließend kannst du deine Marketingmaßnahmen darauf abstimmen und deine Zielgruppe genau richtig ansprechen und deine Marken und Produkte gezielt positionieren.
Nudging
Nudging (auf Deutsch etwa Schubsen, Anstoßen) kommt aus der Verhaltensökonomie und beschreibt eine Strategie zur gezielten Verhaltensänderung von Menschen.
Im Nudge Marketing oder Nudging versuchen Unternehmen, Verbraucher durch mehr oder weniger subtile Maßnahmen zu einem Kauf zu bewegen.
Ein paar Nudging-Beispiele:
- Positionierung von teuren Produkten auf Augenhöhe im Supermarkt soll den Kauf dieser Artikel fördern
- Standardmäßige Auswahl von bestimmten Optionen sollen diese Entscheidung favorisieren
- Bestseller-Label auf Produkten sollen Kaufentscheidungen beschleunigen
Mehr Beispiele und eine ausführliche Definition des Konzepts „Nudging“ findest du hier.
Nudges sind also nichts anderes als positive Anreize, die deine Kunden zum Kauf verleiten sollen.
Beispielsweise kannst du Kunden durch eine strategische Platzierung von attraktiven Angeboten zu mehr Käufen bewegen oder die Newsletter-Eintragungsrate beim Check-out durch eine automatisch ausgewählte Checkbox erhöhen.
Dabei solltest du aber stets ethisch korrekt vorgehen. Miese Tricks gehen schnell nach hinten los.
Herding
Herding (auf Deutsch Herdentrieb oder Herdenverhalten) beschreibt den Menschen als soziales Wesen. Wir neigen dazu, unsere Entscheidungen an dem Vorbild anderer oder einer Gruppe zu orientieren.
Aus der Hirnforschung sind die sogenannten Spiegelneuronen bekannt, welche die Basis für Imitationsverhalten darstellen. Wenn in einer Gruppe jemand gähnt, neigen andere dazu, das Verhalten zu übernehmen.
Herding ist eng verwandt mit dem „Social Proof“-Konzept, nach dem wir bei unseren Handlungen nach Bestätigung aus der Gruppe streben.
Im Marketing und insbesondere im E-Commerce machen sich viele die Herding-Neigung des Menschen zu Nutze. Hier ein paar Beispiele:
- Bewertungen oder Bestseller-Rankings ermöglichen potenziellen Kunden, sich im Einklang mit der Masse zu verhalten
- Testimonials von Prominenten oder Empfehlungen von Influencern zahlen ebenfalls aufs Herding-Verhalten ein
- Hinweise darauf, was andere Website-Besucher getan haben (eignen sich auch sehr gut für Cross-Sells)
Priming
Das sogenannte Priming bezeichnet die (oft unterschwellige) Beeinflussung des Denkens und Handels von Personen durch Gerüche, Bilder, Geräusche oder Worte.
Verschiedene Reize aktivieren bei uns bestimmte Emotionen und wir neigen dann dazu, diese auf die Folgereize zu übertragen.
Was etwas abstrakt klingt, haben wir alle schon erlebt. Ein Foto oder ein kurzer Videoausschnitt von paradiesischen Stränden erinnert uns an das entspannte Gefühl aus dem letzten Sommerurlaub und weckt in uns die Sehnsucht, genau dieses Gefühl wieder zu erleben. Einer Anzeige, die darauf abzielt, den nächsten Urlaub zu buchen, kommen wir dann leichter nach.
Duft nach Zimt und Vanille am Weihnachtsmarkt-Stand schaffen ein angenehmes Weihnachtsgefühl und sorgen dafür, dass wir die ausgestellten Produkte auch als wohlig wahrnehmen.
Priming kannst du auf deiner Website einsetzen, indem du dich für eine bestimmte Farbgebung entscheidest, diese auf deine Produkte und deine Marke abstimmst und somit eine bestimmte Wirkung auf den Kunden erzeugst. Beispielsweise steht die Farbe Schwarz für Luxus und Professionalität, Braun für Stärke, Grün für Ruhe und Weiß für Reinheit.
Nutze Konzepte aus dem Neuromarketing behutsam
Erkenntnisse aus dem Neuromarketing können dir helfen, deine Werbung und deine Website effizienter zu gestalten und einen „direkten Draht“ ins Gehirn des Konsumenten zu haben.
So hilfreich auch einzelne Tipps und Erkenntnisse aus der neuesten Neuromarketing-Studie sein mögen: Du solltest diese Dinge sehr behutsam einsetzen.
Überfrachtest du deine Website zu stark und neigst zu einer Über-Optimierung deiner Seite, kann das auch gegenteilige Effekte haben.
Als Negativbeispiel wird häufig booking.com genannt. Die Hotelbuchungsseite strotzt nur so vor Neuromarketing-Tricks und Elementen zur Beschleunigung des Kaufverhaltens.
Kunden haben eine sehr feines Gespür, wann sie getäuscht werden. Versuchst du, deine Besucher auszutricksen, fällt dir das schnell auf die Füße.
Einer der wichtigsten Tipps ist auch im Neuromarketing: Lerne deine Zielgruppe immer besser kennen und stimme den Aufbau deiner Website darauf ab. Mit ein paar behutsam eingesetzten Marketing-Elementen kannst du dann die Emotionen der Konsumenten gezielt ansprechen und so deine Conversion-Rate erhöhen.
Als Verbraucher selbst kann dir das Wissen um Neuromarketing und die Auswirkungen von bestimmten Tricks in der Werbung dabei helfen, nicht mehr auf jede Marketingmaßnahme hereinzufallen.
Einen vollständigen Schutz wird es jedoch nie geben, denn wir Menschen treffen viele Entscheidungen einfach emotional, selbst wenn wir uns dessen bewusst sind.
Verwendest du Elemente aus dem Neuromarketing für deine Werbemaßnahmen? Wir freuen uns über deinen Kommentar!
Schon mal eine brauchbare Einführung.