Der Endowment-Effekt ist ein mächtiges Phänomen aus der Konsumpsychologie. Wie es zu diesem Effekt kommt und wie du ihn im Marketing für mehr Umsatz nutzen kannst, erfährst du in diesem Beitrag.
Was ist der Endowment-Effekt?
Der Endowment-Effekt (auf Deutsch: Besitztumseffekt) steht für ein Phänomen aus der Verhaltensökonomie, nach dem Personen ihrem Besitz einen höheren Wert zuschreiben – bewusst oder unterbewusst. Der Besitztumseffekt ist besonders stark, wenn der Besitz eine emotionale Bedeutung hat und macht uns anfällig für Manipulationen.
Der Endowment-Effekt tritt übrigens auch auf, wenn wir eine Sache nur temporär besitzen. Unternehmen nutzen das beispielsweise aus, indem sie ihre Kunden ihre Produkte oder Leistungen kostenlos testen lassen.
Weiterentwicklung der Prospect-Theorie
In ihrer viel beachteten Prospect-Theorie behandelten die US-Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky das Thema „Verlustaversion“ (englisch: Loss Aversion). Darunter versteht man die kognitive Verzerrung, dass Menschen Verluste negativer wahrnehmen als gleich hohe Gewinne. Die meisten Personen sind nicht bereit, 10 € auf einen Münzwurf zu setzen, mit der Aussicht 10 € bei der richtigen Vorhersage zu gewinnen. Selbst, wenn der Gewinn 15 € beträgt (und der Erwartungswert somit positiv ist), scheuen die meisten Personen dieses Spiel.
Erfroscht und beschrieben hat den Endowment Effekt der US-Professor und Nobelpreisträger Richard Thaler 1979 in seinem Paper „Toward a Positive Theory of Consumer Choice“.
Der sentimentale Wert ist nicht zu unterschätzen
Du hast in deinem Spanien-Urlaub ein Paar Schuhe gekauft. Inzwischen sind sie etwas ausgetreten, aber der sentimentale Wert verhindert, dass du dich von ihnen trennst. Du erinnerst dich nur zu gerne an den kleinen, netten Laden an der Einkaufsmeile am Strand und den sympathischen Verkäufer, der dir sogar noch ein Paar Socken dazu geschenkt hat.
Wir alle haben Dinge, denen wir einen sentimentalen Wert beimessen – ob es sich um Erinnerungsstücke an Personen oder um die Belohnung vom ersten Gehalt handelt. Dieser sentimentale Wert sorgt dafür, dass wir uns oft nur schwer von Dingen trennen.
Experimente zum Endowment Effekt
Ein berühmtes Experiment zum Besitztumseffekt stammt vom Verhaltensforscher Jack L. Knetsch. Der einen Hälfte Studenten schenkte er eine Tasse Kaffee, der anderen eine Tafel Schokolade. Als er beiden Gruppen anbot, ihren Gegenstand mit einer Person aus der anderen Gruppe zu tauschen, waren 90 Prozent nicht zum Tausch bereit. Einmal im Besitz, hatten der Kaffee und die Schokolade auf einmal einen viel größeren Wert.
Bei einem anderen Versuch wurden Autokäufer ein paar Wochen nach dem Erwerb ihres Neuwagens gefragt, ob sie das Fahrzeug für den Kaufpreis abgeben würden. Selbst, als 10 Prozent mehr geboten wurden, lehnte ein Großteil den Verkauf entschieden ab.
Alltagsbeispiele für den Endowment-Effekt
Der Endowment-Effekt lässt sich auch beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen beobachten. Ein Autoliebhaber will seinen Oldtimer verkaufen, den er jahrelang geliebt und gepflegt hat. Er hat sich tiefgehend informiert und weiß, dass der Wert des Autos rund 15.000 € beträgt. Dennoch ruft er einen Preis von 20.000 € aus. Bei seiner Bewertung fließt all die Zeit und Liebe mit ein sowie die Tatsache, dass ihn das Auto nie im Stich gelassen hat. Typischerweise wird der Besitzer einige Wochen später feststellen, dass der Marktwert wohl mit dem von ihm wahrgenommenen Wert nicht übereinstimmt und er reduziert zähneknirschend den Verkaufspreis.
Auch am Aktienmarkt lässt sich der Endowment-Effekt beobachten. Sinken die Kurse, halten die Anleger gerne an den gekauften Wertpapieren fest, auch wenn andere Aktien möglicherweise erfolgversprechender sind. Eine rationale Betrachtung würde zu dem Schluss kommen, dass es sich möglicherweise lohnt, zu verkaufen, um die Verluste zu minimieren. Der Besitztumseffekt lässt die eigenen Aktien aber wertvoller erscheinen und die Angst vor dem Verlust des Besitzes wiegt stärker als die Angst vor Wertverlust im Depot.
Wie du den Endowment-Effekt im Marketing nutzen kannst
„Was man hat, das hat man“ – wenn alle Menschen an ihrem Besitz festhalten, scheint der Endowment-Effekt wohl auf den ersten Blick eher eine verkaufshemmende Wirkungsweise zu besitzen. Aber mit den folgenden Strategien nutzt du den Besitztumseffekt, um mehr Umsätze zu erzielen.
Lasse Kunden deine Ware unverbindlich testen
Im Einzelhandel ermutigen gute Verkäufer die Kunden, die ausgestellte Ware doch einmal zu probieren. Egal, ob Parfüms, Kosmetik, Kleidungsstücke oder das neueste Smartphone – die Kaufbereitschaft steigt, wenn wir uns mit etwas beschäftigen und aktiv testen. Deswegen sind auch Autohäuser nur zu gerne bereit, eine ausgiebige Probefahrt mit einem Auto aus dem Sortiment zu ermöglichen. Teilweise sogar übers Wochenende. Alles, damit der potenzielle Kunde dem Gefühl, das Auto schon zu besitzen, möglichst nahe kommt.
Im E-Commerce kannst du den Endowment-Effekt ebenso nutzen und den Kunden das kostenlose Probieren des Sortiments ermöglichen. Marketing-Botschaften wie „Tu dir etwas Gutes, bestelle jetzt und zahle erst in 60 Tagen“ funktionieren enorm gut. Bei digitalen Produkten ermöglichen es kostenlose Testzeiträume den Kunden, sich intensiv mit den Funktionen vertraut zu machen.
Aktionen wie „Teste drei Monate gratis die größte DSL-Bandbreite zum Preis des kleinsten Tarifs“ sind ebenso auf die Wirkung des Endowment-Effekts zurückzuführen. Nach den drei Monaten hat man sich an die größere Bandbreite gewöhnt und die Lust, wieder die langsamere Geschwindigkeit zu wählen, sinkt.
Kleine kostenlose Produktproben können ebenso ein Mittel sein, um eine emotionale Bindung deiner Kunden zu deiner Marke zu forcieren.
Biete eine großzügige Rückgabegarantie an
Jede Retoure oder Widerruf einer Dienstleistung oder eines digitalen Produktes ist ärgerlich. Manche Online-Shops haben Angst davor, die Rücksendung kostenlos oder zu leicht zu gestalten, aus Angst, dass die Retouren überhandnehmen.
Wenn es sich nicht gerade um Kleidung handelt (eine Kategorie, die wohl am häufigsten retourniert wird), stärkt eine großzügige Rückgabegarantie üblicherweise das Vertrauen. Die Kunden können sich mit dem Produkt ohne Risiko auseinandersetzen und eine Bindung aufbauen.
Biete Treueprogramme an
Ein Treueprogramm, bei dem deine Kunden Punkte sammeln und gegen Prämien einlösen können, erhöht zum einen die Kundenbindung. Darüber hinaus ermutigt es, nicht als Gast zu bestellen und sich tatsächlich zu registrieren, um in den Genuss der tollen Vorteile zu kommen. Anschließend hast du die Möglichkeit, mit gezieltem E-Mail-Marketing deine Produkte weiter zu bewerben. Haben Kunden endlich die Treuepunkte zusammen, um sich ein kostenloses Weinglas-Set zu sichern, werden sie diese Prämie als wertvoller wahrnehmen.
Der IKEA-Effekt als weitere Steigerung des Endowment-Effekts
Der IKEA-Effekt ergänzt das Konzept des Endowment-Effekts, indem er beleuchtet, wie der Eigenaufwand bei der Erstellung oder dem Zusammenbau eines Produktes die Wertschätzung dafür erhöht. Kunden, die Zeit und Mühe in den Aufbau eines Möbelstücks investieren, fühlen sich diesem mehr verbunden und messen ihm einen höheren Wert bei als einem vorgefertigten Produkt. Obwohl das Montieren von IKEA-Möbeln mit Aufwand verbunden ist, messen Käufer den selbst zusammengebauten mehr Wert bei.
Im Marketing kann der IKEA-Effekt genutzt werden, indem man Konsumenten zur Personalisierung der Produkte ermutigt. Dies kann durch Individualisieren, Konfiguratoren für Online-Produkte oder Do-it-yourself-Kits geschehen, die den Kunden ein einzigartiges und persönlich involvierendes Erlebnis bieten, welches die Wertschätzung und die Bindung an das Produkt stärkt.
Fazit: Mehr Wert durch Besitztum durch den Endowment-Effekt
Hat dein Kunde erst einmal das Gefühl, einen Artikel zu besitzen, steigt der wahrgenommene Wert durch den Endowment-Effekt teilweise erheblich an. Im Marketing kannst du den Endowment-Effekt nutzen und mit einfachen Tricks dafür sorgen, dass die Bindung zwischen deinem Produkt und deinen Kunden gefestigt wird.