Jeder Besucher sollte unabhängig von etwaigen Einschränkungen Zugang zu Inhalten einer Website haben. Was eine barrierefreie Website auszeichnet und worauf du beim barrierefreien Webdesign achten solltest, liest du in diesem Beitrag.
Warum eine barrierefreie Website?
Das Ziel von Barrierefreiheit im Internet ist es, die Inhalte so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen. Dazu zählen insbesondere Personen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen, die äußerst vielfältig sind und unterschiedliche Schwierigkeiten im Umgang mit Webseiten nach sich ziehen. Allein in Deutschland leben 7,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung. Zudem sind über 6 Millionen Menschen funktionale Analphabeten, können also maximal einzelne Sätze lesen oder schreiben.
Eine barrierefreie Website berücksichtigt alle möglichen Einschränkungen, die Besucher haben könnten, und macht die Informationen allen Menschen gleichermaßen zugänglich. Dadurch sprichst du nicht nur mehr Menschen mit deinen Inhalten an, sondern erfüllst auch wichtige Standards, die in zwei Jahren für viele Pflicht werden.
Bei allen Bemühungen, deine Website barrierefrei zu gestalten und möglichst allen Menschen zugänglich zu machen: Es ist nahezu unmöglich, allen einen uneingeschränkten Zugang zu verschaffen und eine absolute Barrierefreiheit ist kaum zu erreichen.
Wer legt fest, ob eine Website barrierefrei ist?
Wer legt jetzt genau fest, welche Web-Angebote als barrierefrei bezeichnet werden können? In der Praxis sind natürlich die betroffenen Nutzer gefragt, Einschätzungen und Bewertungen vorzunehmen. Eine detaillierte und vollständige Erhebung ist aufgrund der verschiedenen Arten von Behinderungen sehr schwierig, weswegen es verschiedene Standards für barrierefreie Websites gibt.
Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1)
Das World Wide Web Konsortium (W3C) veröffentlichte im Jahr 2008 die Web Content Accessibility Guidelines 2.0 (WCAG 2.0). Inzwischen ist die Version 2.1 erschienen. Diese umfassende Richtlinien sind in vier Grundprinzipien für barrierefreie Webseiten gegliedert:
- Wahrnehmbarkeit: Beinhaltet Aspekte zur Gestaltung, zum Layout und zu leserlichem Text sowie Textalternativen zu multimedialen Inhalten wie Videos, Bildern oder Fotos.
- Bedienbarkeit: Beinhaltet unter andere die Bedienmöglichkeit mit Maus oder Tastatur sowie Navigations- und Suchmöglichkeiten
- Verständlichkeit: Behandelt die Formulierung von Inhalten und die Usability
- Robustheit: Robuste Programmierung, unter anderem Kompatibilität mit verschiedenen Browsern und Screenreadern
Bei WCAG unterscheidet man zudem die Stufen A, AA und AAA. Die Konformitätsstufe A stellt das Minimum dar, die strengsten Anforderungen verlangt WCAG AAA.
Hier findet sich eine vollständige Ausführung der Guidelines (englisch). Aktuell arbeitet W3C an der Version 3.0, die aber noch im Entwurfstatus ist.
Deutsche barrierefreie Informationstechnik Verordnung (BITV 2.0)
In Deutschland existiert eine weitere Norm, die deutsche barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV). Die BITV in der aktuellen Version 2.0 bezieht sich auf die WCAG 2.1 und beinhaltet bereits die erwähnten Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.
BITV 2.0 kommt dem WCAG 2.1-Standard sehr nahe und die größte Abweichung betrifft die Prioritätsstufen. Prioritätsstufe 2 der BITV entspricht AAA der WCAG.
Für welche Webseiten Barrierefreiheit Pflicht ist
Im Herbst 2018 wurde eine EU-Richtlinie verabschiedet (EU 2016/2102), nach der alle öffentlichen Stellen in europäischen Raum ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten müssen. Nach der Richtlinie müssen folgende Unternehmen eine barrierefreie Website (oder App) haben:
- Stiftungen
- Zweckverbände (Zusammenschlüsse von Gemeinden und Gemeindeverbänden)
- gesetzliche Krankenkassen sowie kassenärztliche Vereinigungen
- Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen
- Landschaftsverbände
- Sozialversicherungen
- Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Rechtsanwalts- und Ärztekammern, Berufsgenossenschaften und Innungen
- Sparkassen und staatliche Vermögensverwaltungen
- Schulen und Kindergärten, die eine Online-Verwaltungsfunktion haben
- öffentlicher Nahverkehr
Barrierefreiheit ist Pflicht ab Juni 2025
Noch mehr Richtlinien gefällig? Bitte schön: In Deutschland gibt es das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das die Barrierefreiheitsrichtlinie der EU (EU 2019/882) als deutsches Gesetz umsetzt. Im Sommer 2022 wurde schließlich beschlossen, dass alle E-Commerce-Seiten ab Ende Juni 2025 barrierefrei sein müssen.
Ab dem 28. Juni 2025 müssen alle E-Commerce-Websites, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, barrierefrei gestaltet sein.
Einzige Ausnahme stellen „kleine“ Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als zwei Millionen Euro oder weniger als zehn Angestellten dar. Sie sind von dem Gesetz befreit, eine barrierefreie Website zur Verfügung stellen zu müssen.
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Warum du dich jetzt mit Barrierefreiheit beschäftigen solltest
Selbst, wenn deine Seite nicht von dem Gesetz ab Juni 2025 betroffen ist, gibt es dennoch gute Gründe, dich um eine barrierefreie Website zu bemühen.
Nutzerfreundlichkeit entscheidender Faktor für Erfolg deiner Website
Je besser die User Experience deine Website ist, desto mehr Umsätze wirst du mit den angebotenen Produkten oder Dienstleistungen machen. Ein logischer Seitenaufbau, eine übersichtliche Darstellung und ein durchdachter Checkout-Prozess sind Pflicht, um die Absprungrate so gering wie möglich zu halten.
Die Usability-Optimierung hört aber nicht bei der Darstellung für Besucher ohne Beeinträchtigungen auf. Eine barrierefreie Website liefert auch für User mit Einschränkungen eine einwandfreie Experience und ermöglicht einen Besuch ohne „Ärgernisse oder Schwierigkeiten“.
Wenn 5 % deiner Website-Besucher die Seite mit 150 Prozent Zoom benutzen und die Darstellung hier nicht einwandfrei ist, dadurch die Conversion-Rate nur halb so gut ist, kann das zu spürbaren Umsatzrückgängen führen.
Ranking-Vorteile bei Google
Die Rankingfaktoren von Google verändern sich laufend. Seit einiger Zeit sind die sogenannten Core Web Vitals (CWV) mit verantwortlich für die Rankings bei Google. Seiten sollen sich nach den CWV schnell aufbauen und während des Ladens sollen Inhalte nicht umherspringen.
Die Barrierefreiheit ist aktuell noch kein direkter Rankingfaktor für Google, könnte aber in Zukunft laut Google-Mitarbeiter John Müller durchaus eine Rolle spielen. Indirekt können Barrieren verschiedener Art aber dennoch deinen Traffic über die organische Suche negativ beeinflussen. Verlassen viele Nutzer aufgrund einer mangelnde Barrierefreiheit deine Website, beeinflusst das deine Google-Rankings möglicherweise negativ.
Checkliste: Auf diese Punkte solltest du bei der Barrierefreiheit achten
Natürlich kannst du dir die Dokumente der Bundesregierung oder von W3C zur Barrierefreiheit zu Gemüte führen und die Anforderungen für deine Website umsetzen. Alternativ kannst du dich auch an der folgenden Checkliste für barrierefreies Webdesign orientieren:
Benutzerfreundliche Sprache
Legasthenie, kognitive Beeinträchtigungen oder ein geringes Leseverständnis der deutschen Sprache – diese Gründe können dazu führen, dass kompliziert formulierte Inhalte nicht gut verstanden werden. Aus diesem Grund solltest du deine Texte so schreiben, dass sie nicht unnötig schwer zu verstehen sind.
Folgende Dinge solltest du vermeiden, um keine Probleme beim Verstehen deiner Inhalte hervorzurufen:
- Lange und verschachtelte Sätze
- Zu viele Fremdwörter und Fachtermini
- Gehäuftes Auftreten von Abkürzungen, insbesondere wenn sie nicht als bekannt vorausgesetzt werden können
- Lange Wörter
- Starker Nominalstil (also z.B. „Die Abholung der Mülltonnen wurde gestern ausgeführt.“ statt „Die Mülltonnen wurden gestern abgeholt.“)
Was ist aber, wenn meine Zielgruppe gebildet ist und Fachwörter erwartet? Prinzipiell darfst du dich beim Schreiben der Texte natürlich an den Erwartungen deiner Zielgruppe orientieren. Es empfiehlt sich aber, im Zweifel lieber etwas einfacher zu formulieren.
Einige Webseiten bieten sogar einen separaten Sprachumschalter für „Leichte Sprache“ an, wo die Inhalte besonders einfach formuliert sind.
Bedienung und Navigation mit unterschiedlichen Eingabegeräten
Sowohl für Blinde als auch für Menschen mit motorischen Einschränkungen sollte deine Website auch ohne Maus bedienbar sein. Achte darauf, dass die Navigation auch mit der Tastatur oder alternativen Steuerungsgeräten funktioniert.
Notwendig dafür ist auch ein intuitiver Aufbau deiner Seite, die zudem überall gleich strukturiert werden sollte. Teste im Zweifel einfach mal, ob du alle wichtigen Inhalte deiner Website auch mit der Tastatur aufrufen kannst.
Responsive Inhalte
Die Inhalte deiner Website sollten nicht nur auf die Darstellung am Desktop optimiert sein, sondern sich auf verschiedenen anderen Endgeräten einwandfrei anzeigen lassen. Dazu zählen nicht nur Smartphone und Tablet, sondern auch Screen-Reader.
Gute Lesbarkeit und einfache Skalierbarkeit
Eine angemessene Schriftgröße, einfach zu entziffernde Schriftarten und ein ausreichender Zeilenabstand sind wichtige Voraussetzungen, damit ältere Personen oder Personen mit Sehschwäche die Inhalte richtig lesen können.
Zudem sollte deine Website skalierbar sein und sich ohne Einschränkungen in der Benutzerfreundlichkeit auf mindestens 200 Prozent vergrößern lassen.
Zu einer guten Lesbarkeit zählen auch ausreichende Kontraste zwischen Vorder- und Hintergrund. Als Faustformel gilt: Der Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund sollte mindestens 4,5 : 1 betragen. Auch Menschen mit Rot-Grün-Schwäche sollten keine Probleme beim Lesen der Website haben.
Sinnvolle Struktur, Alt-Texte und Untertitel
Blinde Menschen oder Personen mit stark eingeschränktem Sehapparat verwenden üblicherweise Screen-Reader zum Surfen im Web. Die Inhalte der Website werden dann entweder vorgelesen oder taktil über eine Braillezeile wiedergegeben.
Aus diesem Grund sollten deine Bilder, Grafiken und Videos immer mit einem Alt-Text oder einem Untertitel versehen sein. Zudem solltest du darauf achten, dass inhaltlich zusammengehörende Texte, wenn möglich, auch zusammenstehen und nicht beispielsweise durch Bilder unterbrochen werden.
So überprüfst du die Barrierefreiheit deiner Website
Wenn du diese Checkliste beherzigt hast und eine barrierefreie Website designt hast, geht es nun ans testen. Werden die Inhalte wirklich für die User mit den häufigsten Einschränkungen einwandfrei dargestellt?
Zum Überprüfen gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Barrierefreiheit selbst testen
Die einfachste Möglichkeit, deine Website auf Barrierefreiheit zu überprüfen, ist natürlich, wenn du (oder ein unabhängiger Dritter) die einzelnen Features und Unterseiten testest. Dafür orientierst du dich am besten an der obigen Checkliste. Teste unbedingt auch die assistiven Technologien wie Screen-Reading oder die Navigation per Tastatur aus.
Zum Testen der Screen-Reading-Funktion eignet sich zum Beispiel der kostenfreie Reader von NV Access.
Testing-Tools und Plug-ins
Barrierefreie Websites lassen sich auch mit verschiedenen Tools oder Plug-ins validieren. Tools wie ein Kontrastchecker oder ein Code-Sniffer zur Prüfung des HTML-Codes geben erste Anhaltspunkte über die Barrierefreiheit.
Eine gute Sammlung von Tools und Plug-ins findest du hier.
Offizieller Test
Willst du auf Nummer sicher gehen und deine Website von einer offiziellen Prüfstelle auf Barrierefreiheit überprüfen, kannst du einen BITV-Test in Auftrag geben. Der Preis für den Test richtet sich stark nach der Komplexität und der Größe deiner Seite, eine einzelne zu testende Seite kostet mindestens 380 €. Als Ergebnis erhältst du dann einen offiziellen Prüfbericht und ein BITV-Prüfzeichen.
Mehr Informationen zum BITV-Test und den verschiedenen Prüfstellen findest du hier.
Neben dem BITV-Test bieten auch verschiedene Agenturen Tests zur Barrierefreiheit an. Die Qualitätsstandards variieren aber deutlich und du solltest dich vorher unbedingt über die genaue Vorgehensweise informieren.
Fazit: Barrierefreiheit wird immer wichtiger
Eine barrierefreie Website sorgt dafür, dass du mehr Menschen mit deinem Angebot erreichst. Zugleich kannst du heute schon Standards erfüllen, die ab Juni 2025 möglicherweise auch für deine Seite Pflicht sind. Zudem haben barrierefreie Websites in Zukunft möglicherweise Rankingvorteile bei Google besitzen.
Da die Einschränkungen der Menschen so vielfältig sind, wirst du eine komplette Barrierefreiheit nie erreichen können. Dennoch solltest du darauf achten, dass du die Punkte aus unserer Checkliste erfüllst, um möglichst vielen Menschen deine Inhalte zugänglich zu machen.
Eine gute Usability für alle Nutzergruppen wird sich letztlich auch in deiner Conversion-Rate und in deinen Google-Rankings niederschlagen.